Die Mistel war schon bei den Kelten ein wichtiger Bestandteil ihrer Riten zur Wintersonnwende, die am 20./21. Dezember den Kalender bestimmte, der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres. Ein aufgehängter Mistelzweig an den Mauern oder unter den Dächern der Behausungen sollte vor Blitz, Krankheiten und Verhexung schützen. Bekannt ist der Druide Miraculix (Asterix und Obelix) mit seiner goldenen Sichel, der die Mistel als Bestandteil seines Zaubertrankes nutzte. Die Druiden (Wahrsager, Heilkundige, Priester und Sternenkundige), kletterten in der sechsten Nacht nach Neumond auf Eichen, auf denen die heiligen Misteln wuchsen, und ernteten mit goldenen Sicheln das Gewächs vom Holz. Es durfte den Boden nicht berühren, um seine Kraft zu erhalten. Sie sahen die Mistel als ihre heiligste Pflanze an, weil sie als göttliches Zeichen gesehen wurden, dass die Götter selbst im Baum anwesend seien. Die Druiden verteilten die Zweige auch als Schutz gegen böse Geister.
Auch die alten Griechen
nutzten die Mistel, wegen ihrer narkotisch-psychoaktiven Eigenschaften. Bei den Römern galt sie als Symbol des Lebens, weil sie ihre Blätter nicht verliert und immergrün ist. In ihrer Sagenwelt war die Mistel die "Goldenen Zauberrute des Äneas".
Der feurige Busch, aus dem Gott zu Moses sprach
gehört vermutlich zur Familie der Mistelgewächse, die im Heiligen Land auf Akazien wachsen (die Art hat rote Stängel und flammenähnliche Blätter und Früchte).
Im Alten Testament
wird gar behauptet, dass das Kreuz Christi aus Mistelholz war, die seinerzeit noch ein Baum war, der aus Scham auf seine jetzige Größe schrumpfte und sich zum Wohltäter wandelte, der jedem, der unter ihm durchgeht seine Güte und Reinheit über ihn ausschüttet.
In der Sagenwelt
gibt es viele Hinweise auf den Einsatz von Mistelzweigen, egal ob im Süden, Norden, Osten oder Westen, zum Schutz des Viehs, der Menschen und als Glücksbringer. So hofften Jäger durch das Anstecken eines Mistelzweiges auf reiche Beute. Tiere und Menschen sollten fruchtbar werden, Glück und Gesundheit sollte sie ins Haus bringen, Saaten sollten besser gedeihen. Die Liste ist sehr lange und, wenn man sich das Gewächs mal näher anschaut, dann kann man den (Aber-)Glauben gut nachvollziehen.
Misteln wachsen
als Parasit (böses Wort) auf Bäumen. In unseren Breiten sieht man sie häufig auf Obstbäumen und Weißtannen, aber auch auf Eichen und Pappeln. Die Beeren sind mit einem klebrigen Schleim gefüllt, die das Saatkorn umhüllen. So klebt sich die Beere auch auf neues Holz und bildet sich dann langsam aus, genährt vom Saft des Wirtsbaumes. Zu ihrer Vermehrung sind die zweihäusigen Misteln auf Vögel und Insekten angewiesen. Die Insekten bestäuben, die Vögel fressen die Beeren und scheiden sie auf anderen Gehölzen wieder aus, wobei die klebrigen Beeren an dem Holz haften und somit neue Misteln etablieren. Auch Schnecken, Mäuse und Rehe haben die Beeren auf ihrem Speiseplan. Die Mistel ist also ein wichtiger Bestandteil beim Artenschutz und bereichert den Speiseplan vieler Lebewesen in der kalten, kahlen Jahreszeit.
Frisst kein Vogel die Beeren, so platzt die Frucht auf und seilt regelrecht an einem schleimigen Faden ihr Saatkorn auf darunter liegende Äste ab. Sie betreibt Photosynthese, nutzt aber das Wasser und die Nährstoffe des Wirts (Baumes), natürlich ohne ihn dabei umzubringen, denn sie kann 70 Jahre alt werden. Ernten darf man sie nur zum privaten Gebrauch in kleinen Mengen, denn sie steht unter Naturschutz. In der Naturheilkunde
wird sie auch zu medizinischen Zwecken eingesetzt, in der anthroposophischen Medizin als Krebsmittel. Das führt hier aber zu weit, das erkläre ich im nächsten Jahr....
Aus dem druidischen Kult, der der Pflanze die Abwehr der Dämonen zustand, entwickelte sich der Brauch sein Haus mit Misteln zu schmücken. Im angelsächsischen Raum heute vorwiegend zur Weihnachtszeit über der Eingangstür, der Stubentür oder über dem Kamin. In England nennt man die Früchte der Mistel "Kusskugeln". Steht ein weibliches Wesen unterm Mistelzweig, darf sie geküsst werden. Der Kuss kann eine tiefe Romanze ankündigen, tiefe Freundschaft und Wohlwollen bedeuten. Wird der Zweig in der zwölften Nacht danach verbrannt, dann steht einer glücklichen Ehe nichts mehr im Wege. Traditionell wurde die Anzahl der Küsse danach berechnet, wieviele Beeren für die Küsse eingelöst wurden. Sind keine Beeren mehr am Zweig, dann ist Schluss mit Zauber! Das KussSpiel geht auf
die Römer
zurück, den Saturnalien (Fest zu Ehren Saturns).
Auch in Skandinavien
gibt es Bräuche im Zusammenhang mit Mistelzweigen, so konnten die Krieger, die es im Kampf unter einen Mistelzweig trieb Waffenstillstand für diesen Tag schliessen und die Versöhnung von zerstrittenen Ehepaaren fördert die Mistel. Der nordische Gott Baldur wurde von einem Pfeil getötet, der aus Mistelhoz geschnitzt war. Seine Mutter Freya gelang es ihn unter dem Mistelbaum zu erwecken und sie küsste jeden, dem sie begegnete und ihre Freudentränen wurden zu den weißen Beeren. Der in Skandinavien während der Weihnachtstage verbrannte Julblock ist ein Holzstück, dass von einem Baum stammt, auf dem Misteln wachsen.
In Kanada
gilt der Kuss unterm Mistelzweig als Heiratsversprechen verbunden mit Glück und einem langen Leben. In Frankreich ist der Brauch dem Neujahrstag vorbehalten.
Man sieht, dass die Mistel ihr mystisches Wesen bis in unsere Zeit erhalten konnte und auch über unserer Tür hängt alljährlich zur Weihnachtszeit ein Zweiglein, immer mit vielen Beeren (zwinker zwinker). Egal, wie man es betrachtet, die Mistel ist ein tolles Gewächs, voller Sagen und Legenden, voller Kraft und Wirkung und:
was gibt es schöneres, als einen Kuss mit solchen Nebenwirkungen!
Frohes Fest, viele Küsse und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2025!